17.06.2025
Schülerinnen und Schüler der achten Klasse des Paul-Gerhardt-Gymnasiums Lübben beschäftigten sich mit dem Thema Stolpersteine. Im Rahmen ihres evangelischen Religionsunterrichts bei Pfarrerin Annett Weinbrenner erforschten sie unter anderem die Lebensgeschichten von Jüdinnen und Juden in Lübben.
Teil des Projekts waren Unterrichtseinheiten und ein Vortrag über die Stolpersteinidee von Gunter Demming und die Arbeit der Stiftung Spuren-Gunter Demming. Mit diesem Grundwissen ausgestattet, sorgte ein Zufall für Vertiefung und Auseinandersetzung mit der Lokalgeschichte.
„Während des Projekts erfuhr eine Schülerin, dass in Lübben in Kürze ein Stolperstein für Rosalie Kassel verlegt wird. Das führte zu einer noch intensiveren Auseinandersetzung mit dem Thema“, sagte Pfarrerin Weinbrenner. Die Schülerinnen und Schüler haben Informationen über das Leben jüdischer Menschen aus Lübben zusammengetragen und in selbst gestalteten Büchern weitererzählt. Viele von ihnen sind mit großem Interesse und viel Ausdauer in die Vorarbeit gegangen. Bei der Gestaltung ihrer Bücher sind sie unter anderem der Frage nachgegangen, wie man jüngeren Menschen die Geschichte nahebringen kann. Einige Schüler hatten dabei die eigenen jüngeren Geschwister als Leserinnen im Blick.
Als der Stolperstein für Rosalie Kassel am 8. Mai in Lübben verlegt wurde, waren die jungen Menschen mit dabei. Ihren Mitschülern und den Gästen stellten sie die Bücher vor.
„Die Individualität der Bücher war beeindruckend, da jedes Projekt einen anderen Schwerpunkt setzte und so die Vielfalt der Perspektiven und Geschichten widerspiegelte. Die Schüler haben nicht nur Wissen erarbeitet, sondern auch kreative Fähigkeiten entwickelt und ein tiefes Verständnis für die Bedeutung der Stolpersteine gewonnen“, resümiert ihre Lehrerin Annett Weinbrenner.
Wer war Rosalie Kassel?
Rosalie Kassel wurde am 14. Dezember 1911 in Königshütte, dem heutigen Chorzów in Polen, als Tochter von Elisabeth Hirsch geboren. Ihr Vater verstarb kurz nach ihrer Geburt. In Berlin besuchte sie die Jüdische Oberschule und lebte zeitweise mit ihrer Mutter in Lieberose. Im Jahr 1939 wohnte sie bei ihrer Tante Frieda Moses in der Kirchstraße 28 in Lübben.
1941 zog Rosalie Kassel als Arbeiterin nach Berlin-Charlottenburg in die Goethestraße 8. Trotz der Größe der Stadt blieb sie vor Diskriminierung und Verfolgung nicht geschützt. In Berlin wurde sie verhaftet und zur Sammelstelle in der Levetzowstraße gebracht, von wo aus Transporte in den Osten organisiert wurden.
Mit dem ersten Transport wurde sie nach Litzmannstadt/Łódź deportiert, wo sie am 18. Oktober 1941 ankam. Im Januar 1942 begannen die Deportationen ins Vernichtungslager Kulmhof/Chełmno im Warthegau. Auch Rosalie Kassels letzter Weg führte dorthin, und vermutlich am 7. Mai 1942 wurde sie dort ermordet.
Was ist ein Stolperstein?
Ein Stolperstein ist ein Gedenkstein, der an das Schicksal von Menschen erinnert, die während des Nationalsozialismus verfolgt wurden. Insbesondere jüdische Mitbürgerinnen und Mitbürger waren betroffen. Diese kleinen, meist aus Messing gefertigten Plaketten werden in den Gehweg eingelassen und tragen den Namen, das Geburtsdatum und oft das Schicksal der Person, beispielsweise ob sie deportiert oder ermordet wurde. Die Stolpersteine sind Teil eines Projekts des Künstlers Gunter Demnig und sollen dazu anregen, innezuhalten und sich mit der Geschichte und den individuellen Schicksalen auseinanderzusetzen. Sie sind an vielen Orten in Deutschland und anderen europäischen Ländern zu finden und stehen symbolisch für das Gedenken an die Opfer des Holocaust.
Franziska Dorn